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Ich habe JA gesagt

Oups I did it again!

 Zwar nicht am Standesamt, aber doch mit ähnlichen Konsequenzen. Und ein Schiff wird nicht umsonst weiblich angesprochen. Was sich gerade bei mir abspielt, ist wirklich Veränderung pur. Die Übernahme der Verantwortung für unser neues Zuhause war mir gedanklich unkompliziert und rasch umsetzbar erschienen. In der Tat, das ist es auch.

 Jedoch ist die Intensität der Lern- und praktischen Anwendungsaufgaben höher als erwartet und viel geballter, als ich angenommen hatte. Vielleicht auch, weil beim näheren Hinschauen natürlich viel mehr Projekte zur Umsetzung anstanden, als wir erwartet haben. Aber das Ineinandergreifen der verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten war dann doch unerwartet. Stahl erfordert entweder Rostbehandlung und dann Rostschutzerneuerung oder Herausschneiden der rostigen Stellen und Neueinschweißen und dann erst wieder Rostvorbeugung. Das klang für mich grundsätzlich unkompliziert, der Teufel steckt auch hier im Detail. 

Wie am Besten mit Rost fertigwerden, ohne zu viel Material zu verlieren und weiteres Rosten verhindern? Wie am Besten in unmöglichen Positionen und engen Räumlichkeiten den Stahl schneiden und auch schweißen? Das Internet und Youtube sind wirklich eine Quelle unendlichen Wissens und auch vieler Weisheiten, die nicht eins zu eins nachgemacht werden sollten. Aber Probieren geht bekanntlich über Studieren und nach einigen kleineren Projekten sich immer mehr an Größere zu wagen, ist das aktuelle Geheimnis. Eigentlich geht es vor allem darum, die Angst zu verlieren, etwas nachhaltig kaputt reparieren zu können. Die Wahrheit vielmehr ist – die Dinge reagieren gar nicht so drastisch auf Fehler und Anfängerblödheiten. Und so habe ich mich zB. beim Schweißen über den Schaft unseres Ruderblattes hergemacht und als erste Aufgabe einen runden Schaft rundherum mit bis zu 6 mm Stahl verstärkt durch Auftragen von neuem Material. Und nach einiger Herumpatzerei und viel Wegschleifen sind die Schweißnähte immer besser gelungen, und mittlerweile ist der Schaft runderneuert, und die Stopfbuchse passt mit minimalem Spiel wieder wunderbar drauf und kann demnächst wieder neu gestopft werden. Was ich auch zum ersten Mal mache. Spannend ist halt, dass der endgültige Dichtheitstest erst beim ins Wasser Heben stattfindet. Das nehme ich aber auch immer lockerer. 

Ein weiteres Kapitel sind die vielen Installationen von Gas, Wasser und Scheiße. Ja, ich hab schon mal von einem Waschbecken einen Siphon abgeschraubt und geputzt. Aber einen 70 Liter Boiler im Maschinenraum ausbauen und herausbringen und einen Wassertank vollkommen stilllegen, eine neue Wasserentsalzungsanlage in das System integrieren und daher Einiges neu verrohren, das habe ich noch nicht gemacht. Im Endeffekt auch hier hilft nur Kabel abzwicken, abschrauben, zerschneiden, schwitzen und schimpfen, wenn was nicht funktioniert. Das ist übrigens sehr wichtig, ohne zu schimpfen kommt die Erkenntnis über den Schwachsinn, den man gerade gemacht hat, erst viel später. Ausbauen ist schon ein spannender Prozess, aber das Einbauen ist dann doch die Königsdisziplin. Vor allem, weil mir dann in der Nacht davor unglaublich viele Verbesserungen einfallen, und ich dann auf die Suche gehe und mir in den verschiedenen Handwerksbedarfsläden hier in der Gegend mit Fremdsprachenbarriere irgend welche Lösungen zusammensuche. Spannend war die Erfahrung mit Rohren und Anschlüssen. Die sind nämlich zöllig. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass 1 Zoll gleich 25 mm ist, wie die Umrechnung im Google verspricht. Da geht’s um Innen- und Aussendurchmesser und eigentlich ist Zoll und 1/2 Zoll und so weiter nur mehr historisches Überbleibsel einer Bezeichnung. Also ran ans Internet und Tabellen gesucht, die mir erklären, wie das alles zusammenhängt. Und dann geh’ und such’ Dir in Griechenland eine Verminderung von  einem 1 1/2 Zoll Zugangsrohr zum 1/2 zölligem Schlauchanschluss! Das ist Einiges an Vorbereitung für einen ungelernten wissbegierigen „Heim“-werker. Mittlerweile hab ich da alles beieinander und einiges davon schon wieder eingebaut. 

Zwischendurch fordert ein „Hoppala“ eine elektrische Meisterleistung, denn die Verkabelung und die Stromanschlüsse inklusive Sicherungskonzept in einem 230 Volt Wechselstrom, 24 V Gleichstrom und 12 V Gleichstrom Netz, so wie wir es an Bord haben, geben umdokumentiert doch einige Rätsel auf. Und so bewahrheitet sich auch der Spruch: An Bord dauert alles drei mal so lange. Der Umbau der Instrumente steht noch bevor, da hab’ ich aber noch am wenigsten Spundus. Da ist einfach unglaublich viel Kabelsalat zu ordnen, neu zu nutzen und wenn nicht gebraucht, auch vernünftig abzubauen. Und natürlich will alles vernünftig beschriftet werden. 

So wundert es nicht, dass ich aufgrund von viel körperlicher Arbeit, Schweiß und einmaliger Sättigung am Tag recht schnell auch körperlich enorme Veränderungen erfahre, die mir von Tag zu Tag immer mehr helfen, meinen Aufgaben auch körperlich gerechter zu werden. Es ist aktuell eine ständige Auseinandersetzung mit alten Mustern, geglaubten Unzulänglichkeiten an Wissen, Können oder einfach nur körperlichen Machbarkeiten. Und die wichtigste Erkenntnis bis jetzt ist, dass es nichts gibt, was wir nicht tun können, solange wir den Mut haben, anzufangen. Alles ergibt sich aus dem Mut zu starten, auch wenn es manchmal etwas dauert, bis ich den Mut fasse, z.B. ein Loch in den Rumpf zu schneiden, nachdem endlich alles dicht ist, einfach nur, um einen Tiefen- und Geschwindigkeitssensor anzubringen. Und auch wenn ich 17mal  gelesen habe, wie das Abdichten des Borddurchlasses funktioniert. Bis es nicht das erste Mal selbst gemacht wurde, bleibt ein unglaublich hässlich nervöser Magen, der sich erst in ein wohlig warmes und zufriedenes Gefühl verwandelt, wenn es geschafft ist und alles an seinem Platz sitzt, und dann wars gar nicht so schlimm. 

Ich habe JA gesagt, und das Leben schenkt mir unglaublich viele Möglichkeiten, mit mir und meinem Innern in Ausgleich zu kommen, Ängste, falsche Selbsteinschätzungen und Eitelkeiten zu durchleben, und im Aussen wird langsam aber sicher unser wunderschönes Schiff wieder in den gebührenden Glanz versetzt. 

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4 Antworten

  1. Hallo Jutta und Christian,
    wo steckt Ihr? Hat der Starttermin geklappt?
    Wir denken öfter an Euch und drücken ganz feste die Daumen! Wenn Ihr noch in Griechenland sein solltet, sind wir nicht weit von Euch entfernt, nur ein paar Seemeilen von Euch entfernt in Kalabrien. Wir sind ja auch gerne unterwegs und haben dieses Jahr so unsere Probleme. Wo dürfen wir, wo ist es relativ ungefährlich hin zu fahren!
    In welche Länder dürft Ihr vom Wasser her einfahren? Wir haben Bekannte, die haben es vor ein paar Wochen geschafft, aus der Karibik nach Deutschland zurückzukommen, sie wollen im November wieder zurück zum Schiff, aber wie steht noch nicht fest.
    Laßt mal von Euch hören, wir sind sehr gespannt!!!
    Alles Liebe und Gute, immer einen handbreit Wasser unterm Kiel!!!
    Jörg und Angelika

    1. Hallo Ihr Beiden!
      Starttermin für uns nach Griechenland zu reisen und das Boot zu übernehmen und uns Ihr anzunehmen hat geklappt. Dann kam C. und hat alles über den Haufen geworfen. Für uns irgendwie auch gut, denn wir kennen unsere freespirit nun viel besser und konnten noch einiges an spannenden Erfahrungen beim Herrichten und „Pimpen“ machen. Im Oktober könnte es soweit sein, dass wir ins Wasser gehen. Auf jeden Fall werden wir den Winter im Wasser verbringen. Voraussichtlich hier im Ionischen Meer.
      Alles Liebe Euch
      Christian

  2. Das klingt ja nach einer sehr reinigenden und entschlackenden Erfahrung. Erinnert mich an das Buch „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ das ich sehr schätze. Wann plant Ihr das Boot ins Wasser zu lassen? Viel handwerkliches Geschick noch und alles Gute.

    1. Danke lieber Jürgen für die guten Wünsche! 😀. Alles sehr spannend, aktuell sieht es sehr nach mitte August aus! Wir scharren schon in den Startlöchern! 👍🤘⛵️🙏

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